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Warum wir Ergonomie in der digitalisierten Büroarbeit neu denken müssen

 

+++ Ein Gastbeitrag von Burkhard Remmers, Leiter Internationale Kommunikation bei Wilkhahn Wilkening + Hahne GmbH+Co.KG über die Ergonomie in der digitalisierten Büroarbeit +++

 

Obwohl wir biologisch eigentlich Hocker, Steher, Läufer und Lieger sind, ist uns das Sitzen zur „zweiten Natur“ geworden. Ob zu Hause oder in der Arbeit, ob öffentlich oder privat – nichts ist für uns selbstverständlicher, als überall und jederzeit zu sitzen. Selbst die Mobilität in Bus, Bahn, Flugzeug oder Auto findet im Sitzen statt. Auswertungen im jüngsten DEKRA-Report zeigen, dass im Corona-/Homeofficejahr 2020 die Ausfalltage auf Grund von Rückenschmerzen von einem ohnehin hohen Niveau aus nochmals um sieben Prozent gestiegen sind. Ganz offensichtlich führen die bisherigen Strategien der Ergonomie in die Sackgasse.

Die Digitalisierung macht uns immer bequemer – und die Menschen werden immer kränker. Schon vor drei Jahren hatten drei von vier Versicherten innerhalb eines Jahres die Volkskrankheit „Rückenschmerzen“ (vgl. DAK Gesundheitsreport 2018), obwohl seit vielen Jahren im Rahmen des „Betrieblichen Gesundheitsmanagements“ vermehrt in Maßnahmen zur Rückengesundheit investiert wird. Inzwischen ist sich die Fachwelt einig, dass die Zunahme der Rückenleiden bei der Büroarbeit auf Degenerationen durch Unterforderung zurückzuführen ist. Mehr noch: Ob Herz-Kreislaufsystem, Glücksgefühle, Lungenfunktion, Stressabbau, Immun- oder Verdauungssystem – der Mensch ist auf häufige und vielfältige Bewegungen angewiesen. Gesundheitswissenschaftler wie Prof. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln verweisen darauf, dass sich alle Körperkompetenzen zurückbilden, die nicht regelmäßig aktiviert werden, und dass die Biologie keine Chance hat, sich der Dynamik des technischen Fortschritts selbst anzupassen.

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In den letzten 10 Jahren hat sich der Bewegungsraum zur Erledigung der Arbeit im Zweifelsfall auf das Touchdisplay eines Tablets reduziert. Abb. Wilkhahn

Abschied von der „ergonomischen“ Zwangshaltung

Das erfordert ein komplettes Umdenken der bisherigen Ergonomie: Denn das Büro ist seit Jahrzehnten mit der cockpitähnlichen Organisation von Greifräumen auf die Minimierung von Bewegung ausgerichtet. Auch die Bürostühle werden dem Körper mit zahlreichen Einstellmöglichkeiten wie ein Korsett angepasst, um ihn in einer vorgeblich „richtigen“ Haltung maximal zu entlasten und vor dem Bildschirm zu fixieren. Die Folge: Der Stuhl schwächt die Muskulatur, behindert Haltungswechsel und reduziert die mentale Performance, weil auch dem Gehirn wesentliche Impulse fehlen, die nur durch Bewegung gesetzt werden. Noch fataler ist die Situation im Homeoffice, in dem die Wege noch kürzer sind und die gesamte Büroarbeit einschließlich der Meetings auf die Bildschirmarbeit beschränkt ist.

 

 

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Sackgasse Haltungsoptimierung: Auch die allerorten empfohlene Arbeitshaltung wird auf Dauer zum Problem.

So häufige und vielfältige Haltungswechsel wie möglich

Führende Gesundheitswissenschaftler halten eine in die Büroprozesse integrierte Bewegungsförderung deshalb für einen der wichtigsten Hebel, um Körperkompetenzen zu erhalten, Degenerationen vorzubeugen und die Stressresilienz zu verbessern. Und das beginnt sinnvollerweise dort, wo die Bewegung am meisten reduziert ist: beim Sitzen am Schreibtisch. Hier setzen neuartige, 3D-dynamische Bürostuhlkonzepte an, die vor allem die natürliche, dreidimensionale Beweglichkeit des Körpers aktivieren. So hat der Büromöbelhersteller Wilkhahn mit dem Zentrum für Gesundheit (ZfG) an der Deutschen Sporthochschule Köln die neuartige Sitzkinematik Free-to-move konzipiert, die dem Sitzen gleichsam das Laufen beibringt. Bereits kleine, unbewusste Gewichtsverlagerungen werden hier in häufige und vielfältige Bewegungen übersetzt, die dem Organismus wichtige Impulse geben. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass diese Minimalaktivitäten bereits deutliche Verbesserungen bei Wohlbefinden und Konzentrationsleistung zeitigen. Eine Vergleichsstudie der Deutschen Sporthochschule Köln mit einem konventionellen Sitzkonzept wies nach, dass die neue Beweglichkeit am Schreibtisch tatsächlich genutzt wird und dass die Stoffwechselaktivität in der Lumbalmuskulatur signifikant höher ist. Dadurch wird sitzbedingten Rückenbeschwerden wirkungsvoll vorgebeugt.

 

 

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Ein revolutionäres Konzept, drei Programme: Je nach Kontext empfiehlt sich der Bürostuhl AT als smarter Allrounder für Desksharing in, der ON als besonders geräumiger und repräsentativer Bürosessel für Haltungswechsel oder der IN, der als derzeit dynamischster Bewegungskünstler für die Hardcore-Bildschirmarbeit dient. Abb. Wilkhahn

Der nächste Schritt: vom 3D-Sitzen über 3D-Stützen bis zum Stehen in einem Flow

Neben der 3D-dynamischen Beweglichkeit des Bürostuhls entwickelt sich die Höhenverstellbarkeit der Arbeitstische zum neuen Standard in gesundheitsorientierten Büroflächen, um den Wechsel zwischen Sitzen und Stehen zu fördern. Die Herausforderung: Die Mehrzahl nutzt diese Option gar nicht, weil das Aufstehen von einer normalen Sitzhöhe relativ aufwändig und die Verstellung der Tischhöhe mit Wartezeiten verbunden ist. Der Wechsel erfordert daher immer eine Unterbrechung der Arbeit! Genau hier setzen die Bürostuhlmodelle von Wilkhahn mit erhöhter Sitzposition (ESP) an: Diese Modelle lassen sich als normale Bürostühle mit voller 3D-Beweglichkeit nutzen, aber auch auf über 60 cm Sitzhöhe hochfahren. In der hohen Sitzposition eröffnen sich neuartige Zusatzeffekte: Wird eine Sitzvorneigung aktiviert, verwandelt sich der Bürostuhl in der aufrechten Position zur dynamischen Stehstütze, die trotzdem noch einen angenehmen Kontakt zur Rückenlehne bietet. Lehnt man sich entspannt nach hinten, reichen kleine Gewichtsverlagerungen, um die dreidimensionale Beweglichkeit des Beckens zu stimulieren und dabei die Beine baumeln zu lassen. Die Vorwärtsbewegung wiederum endet dann fast automatisch im Stehen. Ein Effekt mit großer Wirkung: Der erwünschte Haltungswechsel der Steh-Sitzdynamik ist ganz intuitiv in Körperbewegungen und Workflow integriert. Die Mehrinvestition in höhenverstellbare Arbeitstische zahlt sich dadurch wirklich aus.

 

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Wer höher sitzt, steht leichter auf! Alle drei Free-to-Move-Programme sind in der Ausführung mit erhöhter Sitzposition zu haben. Abb. Wilkhahn

Bewegungsmeetings und Aktivpausen

Doch das Mobilisierungsgebot geht über die Bildschirmarbeit hinaus: „Stehungen“ statt Sitzungen sind nicht nur gesünder sondern erhöhen Beteiligung und Effizienz. Das Setting einer dynamischen „Konferenzwerkstatt“ fördert neben der mentalen auch die physische Aktivierung. Und animierende Bewegungsobjekte laden zu Aktiv-Pausen ein, in denen man sich auf den eigenen Körper konzentrieren und von der Kopfarbeit abschalten kann.

 

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Stehbesprechungen bringen Agilität und Dynamik ins Meeting, zum Beispiel mit Occo-Stehtisch und der Klassiker-Stehhilfe Stitz. Der Bewegungshocker Stand-Up verbindet Kontemplation mit körperlicher Aktivierung und der selbstorganisierte Methodenwechsel mit den Confair-Falttischen hilft aus Betroffenen aktive Beteiligte zu machen. Abb. Wilkhahn

Ganzheitliches Verständnis von Gesundheit und Wohlbefinden gefordert

Die heutige Praxis des betrieblichen Gesundheits- und Arbeitsschutzmanagements konzentriert sich auf drei Felder, die häufig unabhängig voneinander bearbeitet werden: die psychologische Gefährdungs- und Belastungsanalyse, die Ernährung und die Arbeitsplatzgestaltung. Vor allem letzteres entspricht noch sehr häufig dem überholten, haltungsorientierten Ansatz des 19. Jahrhunderts, der den Menschen zum statischen Objekt in der Arbeitsumgebung degradiert. Es ist höchste Zeit, in der Arbeitsorganisation die Mitarbeiter als Subjekte der Wertschöpfung zu begreifen und die Wechselwirkungen der drei Perspektiven zu verstehen. Ernährung, Psyche und Bewegung – sie alle beeinflussen den Stoffwechsel, der damit zum zentralen Indikator für Wohlbefinden und Gesundheit wird.

 

Der Autor – Burkhard Remmers

Burkhard Remmers

Burkhard Remmers, Jahrgang 1960, studierte Germanistik und Geschichte. Nach seinem Eintritt beim vielfach preisgekrönten Büromöbelhersteller Wilkhahn übernahm er dort verschiedene Leitungsfunktionen in den Bereichen Kommunikation und Unternehmensentwicklung. Als Leiter Internationale Kommunikation verantwortet Remmers die interne und externe Öffentlichkeitsarbeit. Er ist gefragter Referent und Autor zahlreicher internationaler Fachpublikationen, Buchbeiträge und Vorträge zu Architektur, Ergonomie und Design im Kontext nachhaltiger Office-Konzepte.